Knapp zwei Jahre ist es her, da entschloss sich Ruth Reh zu einem Umzug in eine neue Wohnung. Vieles ging der alleinstehenden Frau dabei durch den Kopf: Die Kinder waren schon längst flügge und ausgezogen, die monatliche Miete war in den letzten Jahren mit den Betriebskosten um fast 100 € gestiegen und die Nähe zu der anliegenden Kindereinrichtung und der Schule spielte keine Rolle mehr.
Was sollte sie nunmehr mit einer Vierraumwohnung?
Kurzentschlossen orientierte sich Ruth auf dem Wohnungsmarkt neu und fand unweit eines schönen kleinen Landschaftsparks eine niedliche Zweiraumwohnung, sogar Hochparterre, sodass sie ihren Einkauf, nicht wie jetzt in die vierte Etage mehr schleppen musste.
Ruth kündigte also das Mietverhältnis zum 31. März und vereinbarte mit der Hausverwaltung einen Übergabetermin für die Wohnung. Während der Übergabe am 28. März hörte sie die Verwalterin, Frau Berta Bär noch feststellen, in welch gutem Zustand die Wohnung an den Vermieter übergeben wird. Über dieses Lob freute sich Ruth, bekam eine Kopie des Übergabeprotokolls ausgehändigt und überreichte der Verwalterin alle, in ihrem Besitz befindlichen Wohnungsschlüssel sowie ein weiteres Schlüsselsortiment für den Keller und den Briefkasten.
Die Einweihung ihrer neuen Wohnung feierte Ruth mit ihrer Freundin Erika Elster. Beide stellten fest, wie schön es Ruth doch getroffen hat und wie herrlich ruhig die Lage der neuen Wohnung ist. Die nächsten Wochen und Monate verliefen für Ruth erlebnisreich, sie wurde zum ersten Mal Großmutter und dachte gar nicht mehr daran, wie beschwerlich es war, jedes mal in die vierte Etage hinaufstiefeln zu müssen.
Und nun das!
Vor ihr lag ein Schreiben des Amtsgerichtes mit einer Klageschrift Ihres ehemaligen Vermieters Bernhard Bär, der dort tatsächlich 2.500 € für einen angeblich völlig verschlissenen und zerkratzten Parkettboden in der ehemaligen Wohnung von Ruth forderte. Schriftliches Vorverfahren, Klageerwiderung, Verteidigungsanzeige … – Ruth schwirrte von den vielen juristischen Begriffen der Kopf.
„Du musst damit unbedingt zum Rechtsanwalt“, stellte Ruths Freundin Erika fest. Sie war gerade zu Besuch, als Ruth das Schreiben des Gerichts mit der Klage am 15. Dezember erhielt. „Ich hatte dem Bernhard Bär so manches zugetraut, aber dass er hier noch hinterher die Unwahrheit sagt, ärgert mich am meisten. Der Boden war bei Übergabe der Wohnung völlig in Ordnung. Sonst hätte dies die Verwalterin Berta Bär doch nicht quittiert“, stellte Ruth fest.
Ein paar Tage später, im Büro des Rechtsanwaltes Gerhard Gerechtigkeit, gab es dann eine Antwort auf die vielen Fragen.
„Nun“, begann der Anwalt seine Erörterungen, „ich denke Ihr ehemaliger Vermieter hat ohnehin schlechte Karten. Frau Reh, Sie haben insofern recht, wenn Sie meinen, dass der ehemalige Vermieter überhaupt beweisen muss, dass das Parkett bei Rückgabe an ihn in einem derart schlechten Zustand gewesen sei, wie er dies nunmehr behauptet.“
Ruth entgegnete: „Der Boden war in einem sehr gutem Zustand!"
„Das glaube ich Ihnen doch, im Übrigen müsste der Vermieter auch selbst beweisen, dass Sie für die von ihm behaupteten Kratzer im Fußboden verantwortlich sind. Das von Ihnen vorgelegte Übergabeprotokoll weist jedenfalls nicht daraufhin, dass es Mängel gab. Allerdings werden wir den Prozess auch allein schon deshalb gewinnen können, weil der vermeintliche Anspruch Ihres ehemaligen Vermieters auch bereits verjährt ist. Nach § 548 BGB verjähren Ansprüche des Vermieters gegen den Mieter, z.B. wegen der Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache, nach sechs Monaten, beginnend ab der Rückgabe der Mietsache.
Sie haben die Wohnung am 28. März zurückgegeben. Die Klage wurde beim Amtsgericht am 30. Oktober eingereicht. Damit sind mehr als sechs Monate zwischen der Rückgabe und der Klageschrift vergangen. Hätte er die Klage rechtzeitig, also noch im September eingereicht, dann wäre die Verjährung gehemmt. Nun ist das allerdings anders.“
„Aber er hat meine neue Anschrift doch erst ermitteln müssen“, wandte Ruth ein.
„Das habe ich in der Klageschrift auch gesehen. Das wird dem Vermieter aber nicht helfen. So hat das Landgericht Bielefeld schon im Juni 2014 bestätigt, dass die Verjährung tatsächlich unabhängig der Kenntnis des Vermieters über die neue Anschrift seines ehemaligen Mieters nach sechs Monaten ab Rückgabe der Sache eintritt. Ich werde also fristgerecht auf Ihren Wunsch hin eine Verteidigungsanzeige an das Amtsgericht senden und mit der Klageerwiderung die Einrede der Verjährung vortragen. Dann dürfte das Gericht - selbst wenn der Anspruch gerechtfertigt wäre - nicht gegen Sie urteilen.“
Nachzulesen: Urteil des Landgerichtes Bielefeld vom 30.6.2014 (Aktenzeichen: 22 S 100/14)
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