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Uneinigkeit bei der Erziehung contra gemeinsames Sorgerecht

Da lag sie nun, die Antragsschrift.

Ruth ist erschrocken, erbost und wütend, welche üblen Dinge denkt sich der Vater ihrer kleinen dreijährigen Romy noch aus?! Angefangen hat alles nach der Trennung vom Kindesvater Bernd Bieber. Verheiratet waren die beiden nicht. Schon immer war Bernd ein streitbarer Geselle, aber die rosarote Brille und die Geburt der gemeinsamen Tochter überdeckten zunächst den offensichtlich schon immer vorhandenen Zwist.


Bernd, der nicht einsehen wollte, dass vor eineinhalb Jahren Ruth einen Schlussstrich gezogen hatte, beschimpfte seither die Mutter seiner Tochter und stellte die gesamte Erziehung infrage. Romy sollte nicht in den Kindergarten gehen, sie sollte eine vegane Ernährung erhalten, ja sogar versuchte Bernd Vorschriften über die Kleidung und den Umgang der Kleinen mit den Großeltern mütterlicherseits durchzusetzen.

Der Streit wurde immer größer und selbst dem Rat des Jugendamtes, einen Konsens mithilfe begleiteter Elterngespräche zu finden, konnte Bernd nichts abgewinnen und verweigerte jedes Gespräch. Immer wieder beharrte er auf seine eigenen Ansichten und auch der Umgang mit seiner Tochter litt erheblich darunter - noch dazu lies Bernd keine Möglichkeit aus, Ruth schlecht zu reden. Es war also weder eine sachliche Kommunikation noch ein sachlicher Umgang miteinander möglich.

Für Ruth völlig verständlich, dass sie dem Druck, Bernd das gemeinsame Sorgerecht für die gemeinsame Tochter einzuräumen, standhielt. Eine Basis war für sie nicht gegeben.


Und jetzt?

Bernd hatte über seinen Anwalt beim zuständigen Familiengericht einen Antrag zur

Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge gestellt. Die Begründung, die Bernd über seinen Anwalt hierzu vortrug, ließ Ruth noch mehr verstimmen: Mit der Übertragung des gemeinsamen Sorgerechtes für Romy wolle er weitere erzieherische Alleingänge von Ruth verhindern.

Die Kindesmutter war außer sich. Also musste anwaltliche Hilfe her. Immerhin hatte das Gericht aufgefordert, Stellung zu nehmen.


Zwei Tage später sitzt Ruth bei ihrem Anwalt Gerhard Gerechtigkeit. Schnell hatte dieser die Antragsschrift überflogen und für seine Mandantin eine passende Antwort parat:


„Gerade vor kurzem habe ich eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes Braunschweig

gelesen, die einen ähnlichen Fall behandelt. Auch dort hatte der Vater versucht die Mitsorge zu erhalten, die Eltern waren ebenfalls nicht verheiratet und hatten ein gemeinsames kleines Kind. Es gab erhebliche Kommunikationsprobleme und ein sachlicher Umgang miteinander war wie in Ihrem Fall überhaupt nicht möglich. Die gemeinsame elterliche Sorge setzt jedoch voraus, dass ein sachlicher Austausch zwischen den Eltern über sorgerechtliche Belange möglich erscheint. Wenn dies nicht gegeben ist, dann ist auch keine Basis für die Ausübung des gemeinsamen Sorgerechtes vorhanden. Das Familiengericht wird immer den Maßstab des Kindeswohls beachten und eine mangelnde Elternkooperation verursacht Verzögerungen bei wesentlichen sorgerechtlichen Entscheidungen. Und es ist doch so, dass die Eltern bezogen auf den Umgang des jeweils anderen Elternteils mit dem Kind diesen auch tolerieren müssen. Dies scheint nach Ihrer Schilderung ebenso nicht gegeben zu sein. Das zuständige Familiengericht Wolfenbüttel und das OLG Braunschweig jedenfalls wiesen aus den genannten Gründen den Antrag des Vaters auf gemeinsames Sorgerecht, auch aus meiner Sicht, völlig berechtigt ab. Die Entscheidung ist verbindlich.“


Ruth war sehr froh, diese Auskunft zu erhalten und beauftragt nunmehr ihren Anwalt, sie beim Familiengericht zu vertreten.


Nachzulesen Beschluss OLG Braunschweig vom 21. Juli 2022, Az.: 1 OF 115/21

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